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Ein Dorf lässt träumen

Gesucht wird das Schweizer Dorf des Jahres 2021. Unter den 12 Finalisten fungiert La Punt Chamues-ch im Oberengadin als einzige rätoromanische Gemeinde. Wie kam es dazu? Was zeichnet dieses schmucke Juwel am Albulapass mit dem gut behüteten Ortsbild am Inn aus?

Wir wollten es genauer wissen und baten den umtriebigen Gemeindeschreiber Urs Niederegger um ein Interview. An ihm kommt niemand vorbei, der z.B. gerne Auskunft über die anstehende Renaturierung des Innverlaufs, über die geplante Umfahrung des La Punter Nadelöhrs oder den Bau des preisgekrönten Innhub haben möchte. Er weiss einfach alles, hat immer Zeit, ist für viele Ansprechpartner und gleichsam die Seele des Dorfes.

Herr Niederegger: Vorerst zur Frage, wie es dazu kam, dass Ihr Heimatdorf La Punt Chamues-ch als einzige rätoromanische Gemeinde auserwählt wurde, allenfalls zum Schweizer Dorf des Jahres 2021 auserkoren zu werden.

Urs Niederegger, seit 41 Jahren mit Leib und Seele Gemeindeschreiber und Kanzlist von La Punt Chamues-ch

Die Schweizer Illustrierte hat Gemeinden mit interessanten und aussergewöhnlichen Vereinen gesucht. La Punt erfüllt diese Vorgaben mit den 11 Ortsvereinen und im Speziellen mit dem Jassclub, dem Zigarren-Whiskyclub, dem Club 92 Engiadina, dem Alfisti-Club und auch mit dem Fliegenbinderclub. So hat die Jury dann unsere Gemeinde in den Final der 12 besten Schweizer Gemeinden 2021 katapultiert.

Wenn Sie einen Werbespot über La Punt verfassen könnten, was müsste darin zentral vermerkt sein?

Die Schönheit und die Stille von La Punt Chamues-ch mit den markanten Berggipfeln in unmittelbarer Nähe zu den Oberengadiner Bergseen und zum Berninamassiv muss man erleben. Durch die persönliche Anwesenheit und das Einatmen der Engadiner Bergluft geniesst man die unglaubliche Atmosphäre und die unbeschreibliche Vielfältigkeit dieses einmaligen Hochtals. Jeder, der La Punt noch nicht aktiv erlebt hat, verpasst diese Einmaligkeit in der hochalpinen Berg- und Wanderwelt.

Sie sind seit sage und schreibe 41 Jahren Gemeindeschreiber und Kanzlist, aber auch Bauverwalter und Personalchef in La Punt. Die Südostschweiz nannte Sie den CEO der Gemeinde, die Engadiner Post den heimlichen König des Dorfes. Sie präsidieren drei von elf Vereinen. Nun sah ich Sie auch noch in Velomontur am Alpgottesdienst auf der Alp Serlas. Was treibt Sie an, sich derart vorbildlich für dieses Gemeinwesen einzusetzen?

La Punt ist mein Geburts- und Wohnort. Hier sind meine Wurzeln und hier ist meine Heimat. Mit Herzblut arbeite ich seit Jahrzehnten für diese einmalige Gemeinde. In der Zwischenzeit kenne ich fast alle rund 700 Einwohner und auch eine Mehrheit der rund 900 Zweitheimischen. Zusammen mit ihnen und mit den jeweiligen Behördenmitgliedern durfte ich die Gemeinde mitprägen und zu einer erfolgreichen Gemeinschaft aufbauen. Natürlich gehören auch die Dorfvereine zu einem intakten und interessanten Dorfleben. Daher habe ich mich schon seit je für das Vereinsleben eingesetzt.

Das Oberengadiner Dorf La Punt Chamues-ch liegt auf 1687 m am Fusse des Albulapasses

Uns ist der Ort mit dem älteren Dorfteil Chamues-ch und dem jüngeren am Albulahang während vieler Jahrzehnte ans Herz gewachsen. Die unzähligen Wanderwege, die in den Inn mündende, wild sprudelnde Chamuera, die Loipe vor dem Haus, ein eigener Curlingclub und die Gastfreundschaft lassen rasch heimisch werden. Was historisch gewachsen ist, trifft aber auch auf aktuelle Infrastrukturprojekte. Wie ordnen Sie diese ein?

Chesa Dora, Alt und Neu in bejahender Symbiose / Fotos © Martin Schneeberger

Die Renaturierung des Inns und des Chamuerabachs ist ein Grossprojekt von kantonaler und sogar nationaler Bedeutung. Die momentan noch fehlende Verbindung zu den ausgeführten Renaturierungen in Richtung Ober- und Unterengadin bildet die Perle eines Renaturierungsprojektes schweizweit. Mit der gleichzeitigen Erstellung des Umfahrungstunnels in La Punt erfährt die Gemeinde die notwendige Entlastung des Durchgangsverkehrs. Das innovative Grossprojekt mit Workshops, Sportzentrum, Heilzentrum und Auditorium des weltberühmten Architekten Sir Norman Foster macht La Punt zu einem Hotspot im Engadin und wird die Gemeinde sehr positiv beleben und befruchten.

Es grenzt an ein kleines Wunder, dass der englische Stararchitekt Norman Foster, dem das Engadin auch lieb geworden ist, für das Innhub-Projekt gewonnen werden konnte. Er will damit offenbar ein Zeichen setzen, die Abwanderung aus der Region in die Städte stoppen. Wirtschaft, Kultur, Freizeit und Bildung sollen unter einem Dach vereint Synergien nutzen und zu einem einzigartigen Treffpunkt verhelfen. Wer steht hinter dieser zukunftsweisenden Idee und was versprechen Sie sich von der Umsetzung?

Innenansicht des Innhub, wie er von Stararchitekt Norman Foster konzipiert wurde / Foto © Foster & Partners / InnHub La Punt AG

Es ist für unsere Gemeinde ein grosses Glück und eine Riesenchance für die Zukunft, dass ein solcher Stararchitekt dieses wegweisende und extrem spannende Innovationsprojekt bei uns umsetzt. Hinter dem Projekt stehen einheimische und zweitheimische Investoren, welche La Punt lieben und der Gemeinde mithelfen möchten, sich weiter zu entwickeln. Ich persönlich erachte dies als Lottosechser und verspreche mir dadurch einen wichtigen Aufschwung, verbunden mit interessanten Zukunftsperspektiven, vor allem für die junge Generation.

Zwischen Zuoz, Bever und Samedan liegend, eine Viertelstunde weg vom St. Moritzer Rummel, aber mit dem Engadiner Bus und der RhB in alle Wander-, Bike- und Skigebiete sehr gut erschlossen, ist La Punt ein idealer Ausgangspunkt für sämtliche Freizeitangebote. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihrer Gemeinde der Platz an der Sonne nicht streitig gemacht wird und Sie in einigen Jahren mit Genugtuung in Pension gehen dürfen?

Die für Hauptmann Ulrich Albertini zwischen 1642 und 1649 errichtete Chesa Merleda gehört zu den prominentesten „Bürgerhäusern“ Graubündens. Der Bau ist durch seine Grösse und die einheitliche Gestaltung imposant. 

La Punt Chamues-ch und das ganze Oberengadin haben viel von St. Moritz und vom weltbekannten Namen profitieren können. Jetzt möchten wir mit unseren Grossprojekten dem restlichen Oberengadin etwas zurückgeben. Zusammen mit unseren innovativen Bauprojekten für Einheimische und auch für Neuzuzügerfamilien sind wir für die Zukunft unserer Gemeinde gerüstet. Ich mache mir also keinerlei Sorgen für die prosperierende Gemeinde La Punt. Nach Abschluss all dieser spektakulären Grossprojekte kann ich beruhigt in Pension gehen und die Geschicke mit gutem Gewissen meinem Nachfolger übergeben.


Urs Niederegger ist seit 1980 Gemeindeschreiber, Kanzlist und Bauverwalter in seiner Heimatgemeinde La Punt Chamues-ch. Langjähriger Regionalrichter und Verbandspräsident der Gemeindeangestellten des Kantons Graubünden. Mitglied in diversen touristischen Gremien. Präsident und Vorstandsmitglied verschiedener Vereine. Verwaltungsrat der LKG Oberengadin.

Nachtrag: Es steht nun fest, dass La Punt Chamues-ch zum «Schweizer Dorf des Jahres 2021» gewählt wurde. Ich gratuliere der Gemeinde und ihren Repräsentanten ganz herzlich.


Hier finden Sie die bereits veröffentlichten Beiträge zur Sommerserie der Seniorweb-Redaktion:

Bernadette Reichlin: Ferienträume – Traumferien
Eva Caflisch: Das Glück am Grab
Peter Steiger: Familie Steigers Reise ins Rotlichtmilieu
Maja Petzold: Erst Traum, dann Erinnerung
Josef Ritler: Expedition auf den Kilimandscharo
Ruth Vuilleumier: Tahiti – Insel der Träume
Peter Schibli: Alpkäsen statt Canyon-Wanderung  
Judith Stamm: Begegnungen
Beat Steiger: Endlich ferien- und urlaubsfrei

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