«Reisen im Alter» weckt Erinnerungen. Als Kind las ich am liebsten Bücher aus fernen Ländern. In einem Heft schrieb ich mir die darin vorkommenden unbekannten Wörter auf. Baldmöglichst ging ich selbst auf Reisen. Und die Neugier auf fremde Länder und Kulturen begleitet mich bis heute.
Schon als Kind interessierten mich nicht die typischen Mädchenbücher. Lieber war ich in der weiten Welt unterwegs, vor allem nach meinem 10. Geburtstag. In der Schulbibliothek hatte ich die «Nonni-Bücher» des isländischen Schriftstellers Jón Stefán «Nonni» Sveinsson (1857-1944), auch Svensson genannt , entdeckt.
Figur des isländischen Schriftstellers Jón Stefán «Nonni» Sveinsson, auch Svensson genannt, vor seinem Elternhaus in Akureyri. Island, 2013
Darin wird der isländische Alltag von Nonni in zwölf Bänden so anschaulich erzählt, dass mir die Geschichten noch heute lebhaft vor Augen sind. Und ich anlässlich meiner Reise durch Island sein Elternhaus in Akureyri unbedingt besuchen wollte. Der Autor, der als Dreizehnjähriger zur Ausbildung nach Frankreich kam, hatte seine Heimat nur noch zweimal besucht. Dafür schrieb er ab 1906 von seiner freien und ungebundenen Jugend auf Island.
Etwas später kamen weitere Bücher hinzu wie Null Uhr fünf in Urumtschi – In geheimer Mission durch die Wüste Gobi (1950) von Fritz Mühlenweg. Ein abenteuerlicher Roman über die heutige Hauptstadt der autonomen chinesischen Provinz Xinjian (Sinkiang), die damals noch eine eher friedliche Stadt war. Geblieben sind mir vor allem die wilden Ritte durch die Wüste Gobi. Fritz Mühlenweg (1898-1961) war dreimal an Expeditionen in der Mongolei beteiligt, unter anderem als Karawanenführer, und schrieb später seine Jugendbücher.
Erste Reisen
Weitere Abenteuerbücher wie Hans und Fritz in Argentinien oder Peter Stäubli in Brasilien gehörten ebenso zu meinen Lieblingen in der Jugendzeit. Mein Fernweh war so stark, dass ich nicht nur über fremde Länder lesen, sondern diese auch kennenlernen wollte. Mit siebzehn, noch in der Lehrzeit, besuchte ich mit meiner Reisefreundin Vreni während einer Woche Paris. Vom Montmartre bis zum Quartier Latin und zum Eiffelturm waren wir zu Fuss unterwegs, so dass ich hinterher eine Sehnenscheidenentzündung am Fuss kurieren musste. Mich beeindruckten die Menschen, die französische Sprache, die Bouquinistes an der Seine und vor allem im Théâtre de la Renaissance die Pantomime von Marcel Marceau (1923-2007).
An der Seine beim Baguette essen, 1963
Ein Jahr später, wieder mit Vreni zusammen, reisten wir 1964 mit Rucksack und Zelt durch Jugoslawien. Zum Glück hatten wir verständnisvolle Eltern, die uns ziehen liessen. Wir lernten das Land kreuz und quer mit der Eisenbahn, einmal sogar mit einer Dampflokomotive, von Zagreb bis nach Sarajevo kennen. Auf der Rückreise erholten wir uns auf der Insel Rab in der dalmatinischen Adria. Alles ging gut, nur hin und wieder mussten wir schlauer sein als unsere Verehrer.
In Jugoslawien auf dem Zeltplatz beim Tagebuch schreiben, 1964
Im Sommer 1966 wollte ich in Paris in der Alliance Française französisch lernen. Gegen leichte Hausarbeit wohnte ich am Montmartre gratis in einem kleinen Dachzimmer. Doch lange hielt ich es nicht aus. Vor dem Tor der Schule standen die Männer Schlange, die es auf uns junge Frauen abgesehen hatten. Per Zufall lernte ich eine Gruppe junger Leute unter der Pont Neuf kennen, die per Autostopp durch Frankreich trampten. Ich schloss mich ihnen an und gelangte so bis an die Côte d’Azur. In Sainte-Maxime logierten wir unter der Brücke und verdienten in verschiedenen Jobs etwas Geld. Einmal zuckerte ich in einem Restaurant Crêpes Suzettes, ein andermal machte ich den Abwasch oder putzte kurzzeitig in einer Ferienwohnung. Was damals noch möglich war, würde ich meiner Enkelin heute nicht empfehlen.
Von Bremen in den Sahel
Als ich meinen Mann kennenlernte, hatte ich den Eindruck, jetzt hat das Reisen ein Ende. Doch 1977 wurde mir nach dem Studium am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg eine Assistenzstelle angeboten. Zwei Jahre arbeitete ich dort. Drei Jahre später bekam mein Mann vom Übersee Museum in Bremen den Auftrag, im westafrikanischen Mali eine Ausstellung für das Musée du Sahel in Gao vorzubereiten. Während rund drei Jahren lebten wir mit den Einheimischen sowohl in der Hauptstadt Bamako als auch im Sahel bei den Touareg. Es war eine prägende Zeit. Über unsere abenteuerlichen Erlebnisse publizierte ich unlängst ein Buch, basierend auf alten Rundbriefen und Tagebüchern, auch Seniorweb hat darüber berichtet.
Beim Kamelkarussell «tänzeln» Kamele mit ihren Reitern um eine singende Frauengruppe herum. Bei den Touareg im Sahel, 1980
Island erleben
Nach dem Tod meines Mannes im Jahr 2012 nahm ich mir vor, die Orte und Länder zu besuchen, die mich besonders interessieren. Island stand zuoberst auf der Liste. Zusammen mit meiner Tochter besuchte ich die Insel. Die Wasserfälle, Geysire, Gletscherlagunen, schwarzen Sandstrände, Basalte, kalten Steinwüsten, Lavaberge und Fumarolen faszinieren und erinnern an die Entstehung der Erde. Darüber berichtete ich 2015 erstmals als Gastautorin bei Seniorweb.
Fumarolen, vulkanische Spalten, aus denen Wasserdampf oder vulkanische Gase aufsteigen. Gunnuhver, Island, 2013
Erfahrungen als Einzelreisende
Da ich nicht gerne alleine reise, studiere ich jeweils das Angebot verschiedener Reiseanbieter. Dabei habe ich gelernt, dass es bei Carreisen von Vorteil ist, zu zweit zu reisen. Denn hier melden sich vorwiegend ältere Ehepaare an, die beim gemeinsamen Essen in der Gruppe selbstverständlich nebeneinandersitzen. Da die Tische in der Regel mit sechs oder acht Gedecken belegt sind, muss die Einzelreisende gut hinschauen, wo sie sich platziert. Diese Reisen unternehme ich jeweils mit einer Bekannten. Sie hat ebenso ihren Partner verloren und freut sich immer noch, die Welt zu entdecken.
Für Einzelreisende sind Kultur- und Studienreisen vorteilhaft. Sie sind etwas teurer, da in der Regel alle von Fachpersonen zusammengestellten Reisen auch von diesen selbst begleitet werden. Hier melden sich jeweils genügend interessierte Alleinstehende an, so dass die Tischordnung ohne Belang ist; und sich sogar bleibende Freundschaften ergeben.
Titelbild: Unterwegs in Island
Alle Fotos: rv
Link zu Reiseberichten: Island und Mali
Reise zum Ursprung der Erde
Paradies für Geologen
Zu Besuch bei Nonni und Manni
Aufschwung nach dem Crash
In Mali ist es richtig heiss