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Einsichten und Ausssichten

Sie mögen das Wort mit dem fatalen „C“ schon gar nicht mehr hören und werden trotzdem auf Schritt und Tritt daran erinnert? Das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Die Welt wird nie mehr sein, wie sie einmal war. Oder doch nicht?

Die Propheten, Auguren und Sterndeuter, aber auch die Falschmünzer haben zurzeit Hochkonjunktur. Jedermann und jedefrau blickt in die Kristallkugel und deutet, philosophiert oder schwadroniert, was das Zeug hält und will uns auf den Sprung helfen, wohin die Reise geht, was der Virus-Winzling aus uns gemacht hat und weshalb das Jahrhundert-Trauma uns wie nie zuvor in die zwischenmenschlichen Schranken weist. 

Und jetzt soll also auch die Redaktion von Seniorweb noch ihren Senf dazu geben. Ob das nötig ist, ob das Glas dabei halbvoll oder halbleer ist, muss ich Ihrem Optimismus oder Ihrer Skepsis überlassen. Fatalistisch bin ich nicht, nachdenklich und verunsichert aber schon. Die meisten Lesenden unter uns gehören ja zur Risikogruppe und müssen sich scheele Blicke gefallen lassen, wenn sie sich beim Einkaufen oder beim verstohlenen Spaziergang blicken lassen.

Die Wirtschaft befürchtet existenzielle Kollateralschäden und pocht an die Türen des Bundesrates, der Entschleunigung so rasch wie möglich Einhalt zu gebieten und den courant normal lieber morgen als übermorgen zu gewähren. Wir sind ein Volk von Experten und trauen es höchstens Daniel Koch vom BAG zu, es noch ein bisschen besser zu wissen. Die anfängliche Einigkeit unter den Parteipräsidenten beginnt zu bröckeln, denn sie wittern im Kaffeesatz lesen die Gunst der Stunde, ihr Profil zu schärfen.

Auch der arme Osterhase steht 2020 unter Quarantäne 

Auf dem Spiel steht nichts weniger als der errungene und hart erarbeitete Wohlstand unseres Landes. Das ist alles verständlich und die Sorgen sind ernst zu nehmen. All die Milliarden an Notkrediten wollen den Massenkonkurs und die sprunghaft ansteigende Arbeitslosigkeit verhindern, aber auch so fallen Tausende von Klein- und Nischenbetriebe durch die Maschen und verlangen verzweifelt Gehör. Die Schulen laufen zudem Gefahr, dass die Schere zwischen durchschnittlich Begabten und den unterprivilegierten Schichten weiter auseinander klaffen wird und gar eine soziale Unrast befördern könnte.

Trotz all dieser Bedenken attestieren breite Bevölkerungskreise und Institutionen den Strategen des Bundesamtes für Gesundheit und dem Bundesrat Augenmass und sorgfältiges Abwägen zwischen dem Mach- und dem Wünschbaren.

Mundschutz ja oder nein? Der Osterhase machts vor. Fotos © Pixabay

Was mich aber insbesondere nachdenklich stimmt, ist der Umstand, dass die Pandemie bewirkt hat, wozu wir freiwillig nie und nimmer bereit gewesen wären. Ich meine damit die erzwungene Erfüllung der Klimaziele: die radikale Einschränkung im Luftverkehr, die massgebliche Reduktion des CO2-Ausstosses und des Erdöl- und Benzinverbrauchs, leere Autobahnen in den Süden statt Rekord-Osterstaus, Solidaritätswelle mit dem Ärzte- und Pflegepersonal, aber auch mit gefährdeten Bevölkerungsgruppen. 

Alles ermutigende Zeichen der Einsicht, die allerdings ziemlich sicher alle über Bord geworfen werden, sobald uns die Reiselust und Konsumwut wieder überfällt. Wir wissen schon lange, dass wir in jeder Beziehung über unsere Verhältnisse leben, aber wir sind grossteils nicht bereit, aus eigenem Antrieb Verantwortung für eine nachhaltige und umweltschonende Lebensweise zu übernehmen. 

Nun, auch wenn wir das Virus besiegt haben werden und die weltweit tüftelnde Pharma-Industrie einen Impfstoff bereit halten wird, besteht die grosse Gefahr, dass uns ein nächstes Virus in die Schranken weisen wird – vielleicht mit noch gravierenderen Folgen als mit Covid-19. Die weltweite Mobilitätszunahme ist zum ernst zu nehmenden Gefahrenherd geworden, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zum Pyrrhussieg für unseren Wohlstand. Die hemmungslose Selbstverwirklichung und ein blinder Fortschrittsglaube wird – leider, leider – die gebotene Vernunft in die Knie zwingen. Hoffen wir, ich behalte Unrecht.


In loser Folge schildern unsere Redaktionsmitglieder, wie sie wegen der Corona-Krise das zu Hause sein erleben und wie sie damit umgehen. Hier die Links zu bereits erschienenen Beiträgen: 

 

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1 Kommentar

  1. Danke für diesen Beitrag. So umfassend und klar hätte ich, was hier tönt als wären es meine eigenen Überlegungen, nie schreiben können. Ich bin sehr gespannt, aber auch eher pessimistisch auf das «Nachher». Wenn nur die Angst vor weiteren Ansteckungen unsere wahnsinnig extreme (um nicht zu sagen «verdammte») Mobilität einschränkt, können zwar Natur und Klima endlich aufatmen, aber ob der Mensch dabei wirklich etwas gelernt und verstanden hat, daran zweifle ich. Haben wir je etwas gelernt aus vergangenen Desastern?.. ausser vielleicht uns besser auf das nächste, von uns herbeigeführte Desaster vorzubereiten. Aber dass es überhaupt zu einem Desaster kommt, dafür sind wir leider viel zu kurzsichtig, oder einfach zu kurzlebig.

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