Sommerbilder

Schon zu meiner Zeit als Sekundarschüler ist ein inneres Bild entstanden: «Sommer» …

Begonnen hat es gleich doppelt mit Felix Mendelssohn. Mein Geigenlehrer, zugleich Musiklehrer an der Schule, zusammen mit seiner Frau als Cellistin und einem Kollegen am Klavier, sie haben uns zusammen das Klaviertrio in d-moll op. 49 vorgespielt. Vor allem der langsame zweite Satz und das Scherzo haben sich mir damals lebendig eingeprägt und sind seither auch so in meinem Unbewussten geblieben.

Mendelssohn: Klaviertrio d-moll

Bilder, Töne erwachender Sinnlichkeit
Rühren aus jungen Dämmertagen
ans Unversehrte des Abends

Klang, – von schmerzenden Farben hell
Durch das Weben des Sommers
Ans zitternde Herz gelegt.

Nicht benennen das sehnsüchtige Schweigen
Mit alten Worten des Wissens!
Nur spüren jetzt, wie’s war,

Wie es immer vielleicht wieder sein kann:
So nah – und dennoch dem Greifen
Sich verschliessend; drängend doch –

Und nie ganz versöhnt mit dem nicht erreichten,
Das, früh schon verheissen,
Immer zögert noch, und bis zuletzt…

2000 © Fritz Vollenweider

«Ein Sommernachtstraum»

Damals führte der Berner Theaterverein jährlich eine Tombola durch, und die Oberstufen der Stadtberner Schulen durften die Lose verkaufen, was ihnen einen Beitrag in die Reisekassen einbrachte. Klar, dass auch meine Pflegeeltern mir Lose abkauften, doch mit dem Stadttheater hatten sie nichts am Hut, weshalb die Treffer mit einem Theatereintritt mir überlassen blieben. So kam ich zwar nicht zu meinen ersten, aber zu den nachhaltigsten Theatererlebnissen schon recht früh in meinem Leben.

… noch heute, wenn ich Shakespeares Zauberstück ansehe, stellt sich die Stimmung wieder ein. Damals im Berner Stadttheater wurde es zusammen mit Mendelssohns Schauspielmusik aufgeführt. Ich erinnere mich, als wäre es heute, wie ich auf meinem Platz in der ersten Reihe gleich hinter seiner Nische versuchte, dem Dirigenten Niklaus Aeschbacher (er wurde später als Generalmusikdirektor nach Detmold berufen) über die Schulter in die Partitur zu luchsen. Was mir heute dabei eher Schamgefühle beschert, beeindruckte mich damals leider nicht: Das eine oder andere Mal wandte der Kapellmeister deutlich irritiert seinen Kopf zurück gegen mich.

Nichts lenkte mich vom Bühnengeschehen und vor allem von der Musik ab. Dem Flirren der Luft an einem warmen Sommertag gleich vibrierten die hellen Streicher in den Eckteilen der Ouvertüre, mit hingetupften Akzenten der Holzbläser und der Bass-Tuba (wie das spezielle damals neuartige Blasinstrument bezeichnet wurde, das der junge Mendelssohn für diese Komposition verwendete, weiss ich jetzt wegen der Altersgedächtnislücke nicht mehr). Doch diese Musik, das war mein verinnerlichtes Bild von Sommer. Auch das Scherzo und vor allem das Notturno mit der schlechthin romantischen Hornmelodie: Sommer als Metapher, nicht einfach nur Sommernachtstraum-Musik.

Von Wanderungen

Es gibt auch den «äusseren», den «normalen» Sommer. Was waren das für Wanderungen, allein, zu zweit, mit der Familie!

Die Seen des Oberengadins, vom Muottas Muragl aus. (fv)

Auch diese Erlebnisse von Wirklichkeit haben sich im Gedächtnis festgesetzt. Doch wie ein Schatten begleitet mich immer wieder das «innerliche», das unbewusst weitergetragene Bild.

Stäfa und der Zürichsee (fv)

Die metaphorische Art «meines» Sommers ist meistens von Musik angeregt, etwa auch von Debussys «Prélude à l’après-midi d’ un faune» oder von Othmar Schoecks «Sommernacht». Doch manchmal sind es auch sprachliche Bilder, die sich festgesetzt haben. Nicht genau wörtlich im Gedächtnis, doch immerhin als vage Erinnerungsbilder, so etwa «Abseits» und vor allem «Die Nachtigall» von Theodor Storm.

Die Nachtigall

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süssen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Sie war doch sonst ein wildes Blut;
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut,
Und weiss nicht, was beginnen.

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süssen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Auch diesem Storm-Gedicht bin ich erstmals in der siebenten Klasse der Sekundarschule begegnet (Damals dauerte die Sekundarschule im Kanton Bern noch von der fünften bis zur neunten Klasse.) Es kann nicht wundern, dass damals das Gedicht verknüpft war mit flirrender Hitze und etwas unruhigen, ahnungsvoll zarten pubertären Gefühlen.

Eine letzte starke «Sommer-Prägung», an die ich mich erinnere, war der Besuch in Besse s/Issole, (Provence). Erwin, der Architekt, hatte ein ehemaliges Klösterchen in ein «Relais de France» umgebaut, betrieb es zusammen mit seiner Frau Ursula. Vor allem Erwin war ein fantasievoller, begabter Koch. Beide waren seinerzeit meine Mitschüler gewesen. Auch hier wirkten Sommerduft und Hitze, bezauberte eine ganz besondere sommerliche Stimmung, obschon es eigentlich schon Frühherbst war. Ins Gästebuch schrieb ich die folgenden rhythmischen Zeilen:

Maison St. Louis

Vom sonnenfarbenen Gemäuer aus,
das – vergangene Jahrhunderte
mit Hier und Jetzt verknüpfend –
gastfreundlich uns umschliesst,

sammeln wir unsere Bilder der Provence:

Ocker staubende Erde,
rötlich sich ins Bläuliche kringelnde
Blätter des Weinstocks.

Dunkelgrüne Hügel säumende
Eichen- und Olivenhaine,
über denen blau spiegelnd der Himmel
heisses, trockenes, kraftspendendes Licht widerstrahlt;
befeuernd so im raschelnden Laub
zwischen Zweigen und Kräutern
blitzschnelles, quirliges Hasten
von Schlange, Grille und Heupferd (das seinen
letzten Sprung in den nächsten Sommer rettet).

Geduldig wärmend der Wespen geschäftiges Raunen
im blühenden Efeu;
stärkend, auch segnend,
die vom Früchte tragen ermatteten Pflanzen
und die vom Reifenlassen ermüdete Erde.

Zurück im frühabendlichen Garten dann
Düfte, die das Draussen der Kräuter
und der webenden Sonne einfangen,

verwandelt am Herd durch vornehme Kunst
der Komposition von Elementen
aus Geruch und Geschmack

zur Freude der Augen,
zur Erquickung von Seele und Leib.

So Bilder und Genuss ohne Aufwand empfangend
wächst unseren Freunden herzlicher Dank.

1997 © Fritz Vollenweider

Hier finden Sie alle bisher erschienenen Beiträge zur Serie Sommer trotz allem der Redaktionsmitglieder:
Linus Baur: Einmaliges Zusammenspiel von Natur und Kunst
Bernadette Reichlin: Sommer ohne Ferien – geht das?
Ruth Vuilleumier: Mit Oma ausfahren
Maja Petzold: Träumereien unter der Himmelskuppel
Eva Caflisch: Aus der Not ein Hobby machen
 

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