StartseiteMagazinLebensartKeine Weihnacht ohne Engel

Keine Weihnacht ohne Engel

Einige persönliche Betrachtungen zu einem unendlichen Thema

Sind Sie schon einmal einem leibhaftigen Engel begegnet? Wenn nicht, befinden Sie sich in Gesellschaft der überwiegenden Mehrheit derer, die nicht an Engel glauben. Es könnte allerdings sein, dass Sie gar nicht bemerkt haben, dass Sie es mit einem Engel zu tun hatten. Denn das strahlende Licht, das Engel verströmen, sieht nur, wer an sie glaubt.

Die Weihnachtsgeschichte, wie wir sie aus der Bibel kennen, ist voller Engel, ob wir an sie glauben oder nicht. Entsprechend ist Weihnachtsschmuck ohne Engel fast nicht denkbar. Als ich Kind war, gefielen mir die kleinen Engelchen aus dem Erzgebirge sehr. Ich sah die Figürchen in vielen Haushalten, aber nicht bei uns. Meine Mutter hielt sie für Kitsch, mein Vater war zu sehr in seiner eigenen Kunst engagiert. Also trugen bei uns vor allem der Weihnachtsbaum und die Weihnachtslieder zum Glanz des Festes bei – und viele Geschichten, die um das Fest herum von Engeln erzählten.

Engelchen aus dem Erzgebirge / pixabay

Auf der Suche nach den Qualitäten, die Engeln zugeschrieben werden, stiess ich auf ein katholisches Lexikon:

«Die Engel sind reine Geister mit großem Verstand und großer Kraft. Am Anfang waren alle Engel gut und glücklich und hatten die heiligmachende Gnade. Doch viele haben, mit Luzifer an der Spitze, gesündigt und sind dafür in die Hölle gestürzt worden. Die guten Engel beschützen uns an Leib und Seele, sie mahnen uns zum Guten und beten für uns bei Gott. Der Schutzengel erwartet von uns, dass wir an ihn denken, zu ihm beten und ihm folgen. Die bösen Geister hingegen versuchen uns an Leib und Seele zu schaden und uns in die Hölle zu bringen. Wir können uns gegen sie schützen durch Wachsamkeit und Gebet.»

Replikat einer Engelsdarstellung an einem Steinkreuz aus dem 10. Jh. (Clonmacnoise, Irland) / commons.wikimedia.org

Was für eine Strenge spricht aus solchen Sätzen! Gar nicht engelhaft, meine ich, eher einschüchternd und abschreckend. Denn Engel gelten als Helfer und Begleiter in Notsituationen, nicht nur im christlichen Umfeld. Im ganzen vorderasiatischen Raum waren Engel seit Urzeiten präsent. Der Islam kennt Engel ebenso wie die von Zarathustra begründete persische Religion.

In anderen Kulturen haben diese immateriellen Wesen andere Namen. Wenn sie erscheinen, dann stets denen, die Hilfe brauchen. Wer im Mittelalter unterwegs war, oft zu Fuss oder streckenweise mit dem Pferdewagen, freute sich wohl über einen Engel am Wegrand.

Engel aus einer Deckenmalerei in der Stiftskirche St. Ägidius in Neustadt an der Weinstraße (um 1420) / commons.wikimedia.org

Ein Maler wie Paul Klee liess sich weder von katholischen Lehrmeinungen noch von den zahlreichen Legenden, die sich um Engel spinnen, beeindrucken. Er suchte den surrealen Aspekt, verbunden mit Heiterkeit, und zeichnete viele Engel in verblüffenden Haltungen. Der bekannteste unter ihnen ist der Angelus Novus.

Diese Zeichnung hatte Walter Benjamin 1921 erworben und darüber verschiedentlich geschrieben. Während der Nazi-Zeit musste das Blatt mehrmals gerettet und versteckt werden, bis es Benjamins Freund Gershom Scholem erhielt, was so testamentarisch vorgesehen war. Heute befindet es sich im Israel-Museum in Jerusalem. In seinem Film Der Himmel über Berlin bezieht sich Wim Wenders auf diesen Angelus Novus.

Paul Klee, Angelus novus. Aquarellierte Zeichnung / commons.wikimedia.org

Ist er nicht liebenswert, dieser «Neue Engel», mit seinem vollen Lockenkopf. Sagen Sie nicht, er würde schielen, weil seine Augen nach links und rechts zugleich gerichtet sind! Er besitzt nämlich die Gabe, gleichzeitig in alle Richtungen zu schauen. Einige nennen ihn einen «jungen Engel», denn seine Flügel sind noch ziemlich klein, sie verschwinden hinter Armen und Rücken.

Mir scheint, er trägt ein ziemlich kurzes Röckchen, während ein «ausgewachsener» Engel doch in weite Gewänder gehüllt ist. Dieser Angelus Novus hat etwas Androgynes. Trägt er gar Stöckelschuhe? Zwar heisst es «der» Engel, aber genau betrachtet, stehen Engel über den Geschlechtern, egal, ob wir heutzutage zwei oder mehrere zählen mögen.

Mein liebster Engel ist der Schwebende, den Ernst Barlach 1927 für den Dom in Güstrow bei Rostock / Mecklenburg geschaffen hat. Er war als Mahnmal für die Schrecken des 1. Weltkriegs gedacht. Nie wieder sollte so etwas stattfinden. Barlach hatte das Gesicht nach dem von Käthe Kollwitz geformt. Sie hatte einen Sohn im Krieg verloren, und mit ihrer Kunst  setzte sie sich nun – wie viele Menschen – dafür ein, dass es nie wieder einen Krieg geben sollte.

Ernst Barlach, Der Schwebende, auch Güstrower Ehrenmal genannt, Original 1927, Nachguss 1953 (Foto mp)

Unter der Naziherrschaft wurden Barlachs Werke ebenso wie diejenigen der Käthe Kollwitz verboten. Der Schwebende Engel wurde eingeschmolzen. Allerdings konnten Freunde die Form retten und verstecken, so dass nach dem Ende des 2. Weltkriegs der Schwebende erneut gegossen werden konnte. Ausser in Güstrow hängt er noch an zwei anderen Orten, denn den Frieden anzumahnen, ist so aktuell wie nie.

Titelbild: Dieser Engel befindet sich in der Kirche St. Georg in Rückersdorf, Franken, Mitte des 15. Jh. erbaut und um 1700 erneuert, als Baudenkmal in der Denkmalliste von Bayern verzeichnet. / commons.wikimedia.org

 


Wer sich für Paul Klee und seine Werke interessiert:
Im Zentrum Paul Klee Bern werden aktuell seine Bilder von Engeln gezeigt.
«Kosmos Klee. Focus: Klees Engel» bis 21. Januar 2024.

Ein bisschen Glanz

Bisher erschienen:

Peter Steiger: Oje du fröhliche TV-Weihnachtswerbung – Seniorweb Schweiz

Maja Petzold: Keine Weihnacht ohne Engel – Seniorweb Schweiz

Bernadette Reichlin: Schön, wenn es glitzert und funkelt – Seniorweb Schweiz

Josef Ritler: Oh Tannenbaum, Oh Tannenbaum wie grün sind deine Blätter – Seniorweb Schweiz

Ruth Vuilleumier: Singen öffnet die Herzen – Seniorweb Schweiz

Beat Steiger: Putzen, bis es glänzt? – Seniorweb Schweiz

Sibylle Ehrismann: Eine Liebesgeschichte – Seniorweb Schweiz

Robert Bösiger: Blütenkelche erhellen den Friedhof – Seniorweb Schweiz

 

 

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