Oh Tannenbaum

Ein Tannenbaum gehört in unseren Breiten zum Weihnachtsfest. Den Christbaum zu besorgen, ist in vielen Familien ebenfalls eine Aufgabe, die jedes Jahr zu erledigen ist, ein Ritual eben.

Allerdings ändern sich solche Rituale im Laufe der Jahre. Kaufte eine junge Familie mit schmalem Budget vielleicht noch einen billigeren Baum, von dem man nicht so genau wusste, woher er kam, so erfuhr man mit den Jahren, wie diese Bäume in Massenproduktion gezogen wurden. Seitdem schauen wir auf Nachhaltigkeit und kaufen einheimische Tannen. In der Schweiz und Deutschland ist der Einsatz von Chemie und Pestiziden nämlich verboten.

Unser Freund im Schwarzwald besitzt eine Weihnachtsbaumpflanzung. Nachdem der Sturm «Lothar» am 26. Dezember 1999 ganze Hänge entwaldet hatte, überlegte er, wie er seinen Wald wieder aufforsten konnte und begann, Weihnachtsbäume zu pflanzen. «Ich musste mich zuerst schlau machen und ohne Erfahrung geht im Waldbau so wenig wie in der Landwirtschaft», erzählt er mir. Da ich weiss, wie gut er vernetzt ist – für alles hat er kompetente Bekannte -, wusste ich, dass er bald loslegen konnte.

Eine Weihnachtsbaumplantage ist so aufwendig wie Weinbau

Wir dürften uns nicht vorstellen, dass die jungen Bäume von allein wachsen würden, erklärt unser Freund weiter. Er kauft kleine Setzlinge, die mit Wurzeln ungefähr 40 cm lang sind. Diese werden in einem Abstand von anderthalb Meter in den Boden gesetzt. – «Und dann beginnt die Arbeit», erzählt er weiter, «eine Weihnachtsbaum-Plantage hält einen das ganze Jahr über beschäftigt. Ich rechne, dass meine Helfer und ich pro Hektar übers Jahr rund 80 Arbeitsstunden aufwenden. Es braucht einen hohen Drahtzaun, sonst hätten die Rehe ein Festmahl, und Bäume mit abgefressenen Spitzen sind nur noch als Brennholz zu brauchen. Dann müssen wir regelmässig schauen, dass die Wildkräuter, die viel schneller wachsen als die Bäumchen, nicht alles überwuchern.»

Von den kleinen Tricks, die helfen, dass die Tännchen regelmässiger wachsen, verrät der listige Schwarzwälder nichts. Aber Pestizide oder andere Chemikalien lässt unser Freund nicht in seinen Wald. Nordmanntannen, die beliebtesten Weihnachtsbäume, müssen in der Regel acht bis zehn Jahre wachsen, bis sie verkauft werden können. Ein Viertel bleibt am Ende unverkäuflich, weil die Bäume trotz Pflege irgendwelche Mängel haben.

Christbaumkauf – ein Adventsevent

Für den Verkauf hat sich unser Freund ein richtiges Event ausgedacht. Sein Waldhof liegt ziemlich abgelegen, erreichbar nur über ein winziges Strässchen, wo ich mich jedes Mal wie im Urwald fühle, wenn ich dorthin fahre. – Für Leute, die einen Weihnachtsbaum kaufen wollen, ungeeignet. Also organisiert unser Freund einen Transport zu seinem Hof. Dort angekommen, darf jeder sein Bäumchen in der Pflanzung selbst aussuchen. Bis es gefällt ist und für den Transport verpackt, bekommen die Kundinnen und Kunden Kaffee und Kuchen, besser noch frisch gebackenen Flammkuchen und ein Schnäpsle, denn Schnaps brennt unser Freund ebenfalls selbst. Kaufen kann man Schnaps, Likör und Waldhonig auch und hat damit gleich ein paar Geschenke. Schliesslich werden die Kundinnen und Kunden wieder zurück ins Dorf gefahren und können ihren Baum ins Auto packen.

So nachhaltig wie der Anbau der Weihnachtsbäume, scheint der Verkauf nicht zu sein. Aber vielleicht ist es ein willkommener Familienausflug als Vorweihnachtsfreude. Dass der Wald und eben auch eine Christbaumpflanzung dem Klima nützt, davon sind die Weihnachtsbaum-Landwirte überzeugt.

Ein Blick in die Christbaumgeschichte

In früheren Jahrhunderten fuhren oder liefen die Menschen wohl auch nicht aus der Oberrheinebene in den Schwarzwald, um einen Baum abzusägen, denn auch im Schwarzwald gehörten die Wälder der Gemeinde oder privaten Waldbesitzern. Und schon früh gab es Händler, die Weihnachtsbäume lieferten. «Im Jahr 1492 kaufte das Liebfrauenwerk zu Straßburg für die Kirchengemeinden neun Tannen, um das neue Jahr zu feiern», lese ich in einer Aufzeichnung. Wenn man wissen will, wann und wo die Geschichte des Weihnachtsbaums beginnt, erfährt man, dass in der Gegend zwischen Strassburg und Freiburg im Breisgau schon im Spätmittelalter Christbäume aufgestellt wurden. Im elsässischen Schlettstadt, so vermerkt eine Chronik, wurden 1521 bei vornehmen Bürgern die ersten Weihnachtsbäume gesehen. Ich lese, dass diese Bäume aufgehängt wurden – das muss lustig ausgesehen haben!

Vor fünfzig Jahren wurde der Weihnachtsbaum manchmal so transportiert.
1972 Bonn, VW-Käfer mit Weihnachtsbaum / Deutsches Bundesarchiv / wikimedia.org

Die Freude am Weihnachtsbaum ging offensichtlich mit dem Erstarken der Handwerkszünfte einher. Früher bestimmte nur die Kirche, welche Bräuche zu Weihnachten gepflegt werden durften. Im 15. Jahrhundert begannen die Zünfte selbst, solche Bräuche einzuführen. Sie stellten in Strassburg einen Weihnachtsbaum ins Münster, denn sie betrieben ihren Handel damals auch im Kirchenraum selbst. Schweine wurden durch das Querschiff des Münsters getrieben – das muss man sich heute mal vorstellen!

Möglicherweise stammt der älteste Hinweis auf einen Weihnachtsbaum von der Zunft der Bäckergesellen in Freiburg im Breisgau aus dem Jahr 1419. Diese hatten dem Heiliggeistspital – dem Armenhaus – einen Weihnachtsbaum gestiftet und mit Früchten und Backwerk geschmückt. Zu Neujahr gab es einen festlichen Umzug und der Weihnachtsbaum wurde geschüttelt, so dass Früchte und Gebäck herunterfielen. Die Armen durften sich bedienen. Das «Weihnachtsbaum-Schütteln» soll dann ein Brauch geworden sein.

Titelbild und andere Bilder (wenn nicht anders erwähnt): Verband natürlicher Weihnachtsbaum


Hier können Sie die bisher erschienenen Beiträge der Weihnachtsserie 2021 «Rituale» nachlesen:

Bernadette Reichlin: Blütenzauber jenseits aller Modetrends
Peter Schibli: Die Magie des Lichts
Peter Steiger: Vom Pöstler, vom Geld und von Lys Assia
Linus Baur: Rituale sind so wichtig
Beat Steiger: Wer wird wo geboren?
Eva Caflisch: Advent Advent

Jürg Bachmann: Woher kommt eigentlich der Weihnachtsmann?
Josef Ritler: Der Zirkus schenkte mir ein Weihnachtserlebnis
Judith Stamm: Alltägliches
Ruth Vuilleumier: Christkindlesmarkt in Nürnberg

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